Die Jugendgerichtshilfe (JGH) im Jugendstrafrecht

Die Jugendgerichtshilfe, kurz: JGH, ist eine Abteilung im Jugendamt, der eine zentrale Rolle im Jugendstrafrecht zukommt. Zu ihrer Ausübung kooperieren die Jugendämter (öffentliche Träger) zusätzlich mit den Vereinigungen für Jugendhilfe (freie Träger). Die Jugendhilfe erhält entsprechend einzelne Aufgabenbereiche in eigener Verantwortung. Kontrollinstanz bleibt jedoch das Jugendamt.

Im Vorverfahren sollen so bald als möglich die Lebens- und Familienverhältnisse des Jugendlichen ermittelt werden. Erziehungsberechtigte, Lehrer und Ausbilder sollen, soweit möglich, angehört werden. Dies ist vorrangig die Aufgabe der JGH, die dem Gericht dann in der Hauptverhandlung ein umfassendes Bild des Jugendlichen mitteilen soll.

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Wann wird die Jugendgerichtshilfe tätig?

In Hamburg wird die JGH gemäß § 15 HmbResOG (Hamburgisches Resozialisierungs- und Opferhilfegesetz) tätig durch Einschaltung der Polizei, die Staatsanwaltschaft, das Jugendgericht oder durch die Jugendlichen oder Heranwachsenden selbst bzw. deren Sorgeberechtigte, die um Beratung sowie Unterstützung bitten. Die Jugendgerichtshilfe kann allerdings auch aus eigener Initiative tätig werden, z.B. zur Durchführung eines Ausgleichs mit Geschädigten (Schadenswiedergutmachung und Täter-Opfer-Ausgleich) oder die Voraussetzungen zur vorzeitigen Beendigung des Strafverfahrens vorliegen.

Wird dem Jugendlichen oder Heranwachsenden ein Jugendbewährungshelfer bestellt, arbeiten JGH und Jugendbewährungshilfe nach § 38 Abs. 2 Satz 8 JGG zusammen.

Was sind die Aufgaben der JGH?

Nach § 16 HmbResOG hat die Jugendgerichtshilfe folgende Aufgaben:

  • Sie erfüllt Aufgaben der Jugendhilfe im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 8 und § 52 des SGB VIII und für den Bereich der Jugendstrafrechtspflege nach § 38 JGG.
  • Die Jugendgerichtshilfe unterstützt zur Tatzeit Jugendliche und Heranwachsende sowie deren Sorgeberechtigte während des gesamten Strafverfahrens.
  • Sie erforscht die Persönlichkeit, Entwicklung und Umwelt des Beschuldigten, insbesondere dessen familiäre und außerfamiliäre Einflüsse sowie eingeleitete oder durchgeführte Leistungen der Jugendhilfe und deren Ergebnisse.
  • Sie informiert die beteiligten Behörden über ihre Erkenntnisse, soweit sie für das Strafverfahren von Bedeutung sind und empfiehlt Maßnahmen, die aus Sicht der Jugendhilfe zu ergreifen sind.
  • Die Jugendgerichtshilfe hält ein differenziertes Angebot ambulanter Hilfen und Maßnahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz vor: Dazu gehören
    • Betreuungshilfen,
    • soziale Trainingskurse,
    • begleitete Arbeitsleistungen,
    • Verkehrsunterrichte,
    • Schadenswiedergutmachungen sowie
    • Konfliktschlichtungen im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs.
  • Die Jugendgerichtshilfe wirkt nach § 52 SGB VIII in geeigneten Fällen auf eine vorzeitige Beendigung des Strafverfahrens nach den §§ 45 und 47 JGG hin, insbesondere durch das Initiieren von Ausgleichsverfahren mit Geschädigten, das Durchführen hilfeorientierter Gespräche sowie die Ermittlung und Berichterstattung über sonstige bereits eingeleitete oder durchgeführte erzieherische Maßnahmen.
Was sind ihre Rechte?
  • Mitwirkung im gesamten Verfahren
  • Anwesenheit in der Hauptverhandlung
  • Äußerung – insbesondere in der Hauptverhandlung
  • Verkehr mit dem Inhaftierten in Untersuchungshaft
  • Kontakt während des Vollzugs der Jugendstrafe
  • Unterrichtung von der Einleitung / vom Ausgang eines Strafverfahrens
  • Antragstellung zur Strafmakelbeseitigung
Was sind ihre Pflichten?
  • Erstellung des Jugendgerichtshilfeberichts
  • Mitwirkung bei Vorführungs- und Haftprüfungsterminen und Aufzeigen von Alternativen zur Untersuchungshaft zwecks Vermeidung der besonderen Belastungen des Vollzuges
  • Unterbreitung eines Sanktionsvorschlags
  • Unterstützung der Sanktionsüberwachung
  • Durchführung von Betreuungsweisungen
  • Überwachung der Erfüllung von Auflagen und Weisungen sowie Mitteilung an die Staatsanwaltschaft oder das Gericht
  • Betreuung des Beschuldigten – insbesondere den zu einer Jugendstrafe Verurteilten
  • Mitwirkung bei der Resozialisierungsplanerstellung und Beteiligung an den Entlassungsvorbereitungen der Justizvollzugsanstalt
  • Dagegen hat die JGH jedoch kein eigenständiges Frage- oder (Beweis-) Antragsrecht.

Soll ich mit der Jugendgerichtshilfe zusammenarbeiten?

Nach § 38 Abs. 3 JGG – der für Heranwachsende gemäß § 107 JGG entsprechend gilt – ist die Jugendgerichtshilfe im gesamten Verfahren gegen einen Jugendlichen heranzuziehen. Aus ihrer sozialarbeiterischen Hilfe- und Betreuungsfunktion einerseits und ihrer Ermittlungs- und Überwachungsfunktion andererseits resultiert ein Rollenkonflikt. So stellt sich nämlich die Frage, ob die JGH ausschließlich den jugendlichen Beschuldigten unterstützen und betreuen soll oder ob sie daneben auch oder nur dem Gericht und der Staatsanwaltschaft behilflich sein soll. Daher kommt es regelmäßig zu Konflikten, wenn Zeugnisverweigerungsrechte oder etwaige Schweigepflichten geltend gemacht werden.

Dies zeigt sich auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit der JGH mit der Polizei. Angesichts des Sozialgeheimnisses darf die JGH, wenn sie von weiteren (unentdeckten) Straftaten erfährt, diese nicht zur Anzeige bringen. Genauso wenig ist es ihr gestattet, problematische Einzelheiten zu den Lebensumständen des jugendlichen Beschuldigten zu offenbaren, die zur Annahme von Haftgründen führen könnten. Ansonsten machten die Mitarbeiter der JGH sich nach § 203 StGB wegen Verletzung von Privatgeheimnissen strafbar. Demgegenüber gibt es Vorschriften wie beispielsweise § 8a Abs. 4 SGB VIII, der bei drohender Kindeswohlgefährdung zur Kooperation mit der Polizei verpflichtet. Eindeutige gesetzliche Grenzziehungen bestehen indes nicht. Auch dem Gericht gegenüber ist die JGH verpflichtet unter Umständen unangenehme oder belastende Tatsachen mitzuteilen.

Auf diese Rechtsunsicherheiten gilt es als Verteidiger unbedingt hinzuweisen. Es darf bei dem jugendlichen Beschuldigten nämlich nicht etwa das Bild entstehen, die JGH sei einzig zu sozialpädagogischer Verteidigung berufen und sei eine Art „Sozialanwalt“.