Jeder kann plötzlich und unerwartet zum Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren werden und als solcher eine Vorladung zur Vernehmung bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft erhalten. Sie haben allerdings das Recht, sich jederzeit – etwa im Rahmen einer Pflichtverteidigung – des Beistandes eines Strafverteidigers zu bedienen, den Sie im Strafrecht jederzeit selbst frei auswählen dürfen, § 137 StPO.
Pflichtverteidigung erstklassig: Keine Verteidigung zweiter Klasse
Pflichtverteidigung bedeutet für uns keine Verteidigung zweiter Klasse – im Gegenteil. Wir führen unsere Mandate im Strafrecht alle erstklassig, ganz gleich, um was für eine Art der Verteidigung es sich handelt. Jeder Anwalt sollte sich stets der Verantwortung für seinen Mandanten bewusst sein und daher eine Verteidigung nur dann übernehmen, wenn er diese auch entsprechend gewissenhaft führen kann.
Im Ermittlungsverfahren entscheidet allerdings die Staatsanwaltschaft darüber, ob sie den Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers stellt, § 141 Abs. 3 StPO. Zwar kann der Anwalt eine Beiordnung anregen, der Beschuldigte hat allerdings kein eigenes Antragsrecht. Deshalb erfolgt in der Praxis die Beiordnung durch das Gericht häufig erst für die Hauptverhandlung, also mit Zustellung der Anklageschrift.
Wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können, wird er Ihnen gestellt
Diese Belehrung ist ein TV-Klassiker und darf eigentlich in keiner US-Krimiserie fehlen – gilt aber so nur eingeschränkt in Deutschland. Ein Pflichtverteidiger wird vom Gericht lediglich in bestimmten Fällen der „notwendigen“ Verteidigung gem. § 140 StPO beigeordnet. Sie erhalten vom Gericht dann einen Brief, in dem man Ihnen mitteilt, dass ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt und Ihnen vom Gericht ein Pflichtverteidiger bestellt wird, wenn Sie innerhalb einer Woche nicht selbst einen Verteidiger benennen.
Sie sollten jetzt handeln und sich selbst einen Verteidiger suchen, der Ihre Interessen als Pflichtverteidiger wahrnimmt – sonst wird das Gericht für Sie irgendeinen Rechtsanwalt zum Pflichtverteidiger bestellen. Leider tendieren Gerichte nicht selten dazu, einen Rechtsanwalt zu bestellen, der in der Vergangenheit nicht durch eine professionelle und beherzte Art zu verteidigen aufgefallen ist, sondern seine Mandanten vielmehr nur zur Verurteilung begleitet hat. Diese Gattung von Rechtsanwälten zeichnet sich nicht selten dadurch aus, dass sie in der Hauptverhandlung nicht weiter auffallen, äußerst selten Anträge stellen und auch sonst eigentlich keine Fragen haben. Sie nehmen fehlerhafte Anordnungen des Gerichts allzu gern widerspruchslos hin und hoffen bis zuletzt, ihrem Mandaten werde schon irgendwie eine (gerechte) Bestrafung zuteil.
Vereinbaren Sie sofort einen Termin, den Sie meist innerhalb von 24 Stunden erhalten. Wir werden dann über Ihre individuelle Situation sprechen und anhand der Beweislage gemeinsam eine erfolgversprechende Verteidigungsstrategie erarbeiten.
Fallgruppen notwendiger Verteidigung (Pflichtverteidigung)
Einen Pflichtverteidiger bestellt das Gericht im Strafrecht nur bei einer „notwendigen“ Verteidigung gemäß § 140 StPO. Es gibt jedoch im Strafrecht keine Prozesskostenhilfe! Die Beiordnung erfolgt nur aus den folgenden Gründen, z.B.:
I. Verteidigerbestellung wegen zu erwartender Rechtsfolgen
Ein Pflichtverteidiger ist notwendig, wenn die Hauptverhandlung beim Landgericht oder Oberlandesgericht angeklagt und dem Angeklagten ein Verbrechen zur Last gelegt wird (Mindeststrafe: 1 Jahr). Ebenso ist ein Fall der Pflichtverteidigung gegeben, wenn das Verfahren nach Anklage zu einem Berufsverbot führen kann.
II. Verteidigerbestellung wegen Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte
Ist die Verteidigungsmöglichkeit des Beschuldigten eingeschränkt, wird ihm ein Pflichtverteidiger bestellt:
1. Bewegungsfreiheit eingeschränkt oder entzogen
Befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, sondern in der Untersuchungshaft (U-Haft) oder Unterbringung (z.B. Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand), ist ihm deshalb ein Pflichtverteidiger zu bestellen.
2. Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage
Liegt dem Verfahren ein komplexer Sachverhalt zugrunde, sollen viele Zeugen und/oder Sachverständige gehört werden oder fehlen Sachbeweise und es steht Aussage gegen Aussage, kann ein Fall der Pflichtverteidigung gegeben sein. Ebenso, wenn z.B. bei Verurteilung ein Widerruf der Bewährung droht oder eine Verständigung („Deal“) zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten angestrebt wird.
3. Jugendliche sowie Heranwachsende
War der/die Angeklagte zur Tatzeit noch unter 21 Jahren kann gem. § 68 JGG ebenfalls ein Fall der Pflichtverteidigung gegeben sein, z.B. wenn ihm/ihr „Abziehen“ zur Last gelegt wird (Raub, räuberische Erpressung), was im Jugendstrafrecht häufig vorkommt.
4. Unfähigkeit der Selbstverteidigung
Ist der Angeklagte nicht umfassend imstande, sich selbst zu verteidigen – etwa wegen einer Behinderung (körperlich, seelisch, intellektuell) – oder hat der Angeklagte als Ausländer Verständigungsschwierigkeiten, wird ein Pflichtverteidiger hinzuzuziehen sein.
5. Waffengleichheit im Strafrecht z.B. bei Opferanwalt (Nebenklage)
Hat das Gericht der Nebenklage einen Anwalt beigeordnet, ist aus Gründen der Waffengleichheit im Strafrecht auch dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger beizuordnen.
Wie finde ich einen Verteidiger für meinen Angehörigen in U-Haft?
Befindet sich ein Familienmitglied (z.B. Ehepartner, Lebenspartner, Geschwister, Kinder) in Untersuchungshaft, hat dieser Anspruch auf einen Pflichtverteidiger. Wenn Sie uns beauftragen, suchen wir ihn umgehend in der U-Haft auf und stellen einen Antrag auf Beiordnung. Weitere Informationen zur Untersuchungshaft in Hamburg finden Sie hier.
Wie stelle ich einen Antrag auf einen Verteidiger?
Sie brauchen keinen Antrag stellen, gehen Sie einfach zu einem Verteidiger und bitten ihn, die Pflichtverteidigung zu übernehmen.
Was kostet die Pflichtverteidigung?
Ein Pflichtverteidiger bekommt zwar Rechtsanwaltsgebühren, diese fallen aber deutlich niedriger aus als bei einer Wahlverteidigung. Dennoch übernehmen die Rechtsanwälte unserer Kanzlei in geeigneten Fällen auch Pflichtverteidigungen.
Die Kosten für die Pflichtverteidigung und für das Strafverfahren insgesamt übernimmt bei einem Freispruch der Staat. Verurteilt das Gericht den Angeklagten, muss dieser die Verfahrenskosten einschließlich der Gebühren für den Pflichtverteidiger selbst zahlen. Wenn ihm dies aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich sein sollte, kann er mit dem Gericht vereinbaren, die Kosten in Raten abzubezahlen.
Weitere Informationen zur Pflichtverteidigung finden Sie in den Pflichtverteidiger FAQ.
Sofort-Kontakt und persönliche Ersteinschätzung
Sie haben noch eine Frage, die unbeantwortet geblieben ist? Dieser Text erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und dient nur der ersten Orientierung; ersetzt jedoch keine persönliche Beratung bei einem Rechtsanwalt.